Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht.

Samstag, 30. Oktober 2010

Ich will ja nicht rumheulen ...

... oder ... na doch, so ein wenig.
Letzte Woche Dienstag treffe ich mich mit dem Vater vom Wikinger bei dessen Kita ... ich will das Kind abholen und der Vati will mir 2-Hand Sachen geben, die er von einem seiner Freunde bekommen hatte, welcher einen 5jährigen hat. Soweit, so gut. Wir kommen in den großen Aufenthaltsraum, an welchen der Speisesaal angrenzt und da liegt mein Sohn schlafend auf einer Matte an der Wand, mit einer Decke zugedeckt. Er war beim Mittagstisch einfach auf dem Stuhl eingeschlafen. Während der Vati das Kind bewachte, nahm mich die Leiterin der Kita zur Seite und erklärte mir mit netten Worten, das mein Sohn noch nicht reif ist für den Kindergarten, da er zu unselbständig ist, manchmal nicht auf Zurufe reagiert und sich nicht richtig in die Gruppe integriert. Er ist von der offenen Gruppenarbeit sogar eher überfordert, sieht sich wohl immer wieder ein wenig orientierungslos um. Als Empfehlung äußerte sie eine private Tagespflege. Da stehe ich also, kämpfe mit den Tränen, als ich ein Rumpsen hören.
Ein schneller Blick in den Aufenthaltsraum zeigte mir einen entgeisterten Vati, mit einem wachen Sohn auf dem Arm, welcher einem roten Fleck in der Gegend des Wangenknochens hat, den er vor ein paar Minuten noch nicht hatte. Laut der Schilderung meines ehemaligen Freundes war meinem Sohn ein Junge mit Anlauf und im Schlußsprung auf den Kopf gesprungen. Er hatte ihn scheinbar unter der Decke nicht gesehen und wollte einfach nur in etwas Weiches hopsen. Zum Glück ging alles glimpflich ab, dem Lieblingssohn ging es gut, war nur ein wenig bedröppelt vom plötzlichen wach werden.
Den Rest der Woche bis Samstag verbrachte ich mit der Suche nach Adressen von Tagesmüttern, war bei Ämtern und so nebenbei noch arbeiten. Sonnabend besuchte mich meine Schwiegermutti auf Arbeit im Spielzeugladen und sagte mir mit Sorgenfalten auf der Stirn, das sie jetzt, nach der Ansage der Kita, ihren Mut zusammen nimmt und mir direkt sagt, das mit meinem Sohn etwas nicht stimmt. Das Wort Entwicklungsstörung fiel. SPZ, EEG auch. Mein Schwager wurde mit sieben auf eine Störung untersucht und 4 (VIER) Stunden untersucht. Als ich mir das für mein Kind vorstellte, wurde mir ganz anders in der Herzgegend. Als ob es nicht mehr da sei, so fühlte es sich an.
Das mein Sohn einige Dinge nicht machte, hatte mich bis Dato nicht wirklich gestört, dafür veranstaltete er jede Menge anderen Unsinn (laut der Kita hatten sie noch nie ein Kind da, das so viel umher turn und Kopfstand macht, wo auch immer er sich abstützen kann). Als ich jedoch hörte, was Zweijährige so alles können müssen, woran mein Kind scheinbar nicht im Traum dachte, bekam ich weiche Knie. Jetzt, nachdem ich alles einigermaßen verdaut, mich und ihn beobachtet habe habe ich erkannt, ich habe ihn zuviel nicht machen lassen, ihm zuviel abgenommen, war in meinen Ermahnungen, wenn er etwas Verbotenes gemacht hat, zu weich. Mitte der Woche hatte ich ein allgemeines Gefühl des "Ich habe auf der ganzen Linie versagt," doch das ist inzwischen schon größtenteils enormem Tatendrang gewichen.
Diesen Montag war ich bei dem Kinderarzt, den mir meine Schwiegermutti empfohlen hatte und der stellte natürlich auch prompt eine Entwicklungsstörung fest (ich habe inzwischen für mich dieses Wort gestrichen, Entwicklungsrückstand ist treffender, finde ich). Überweisung ins SPZ, Termin am 11.02.2011 (das ist wohl relativ schnell für die Einrichtung hier in Berlin-Buch). Wie betäubt aus der Arztpraxis getaumelt und um die Ecke zur Buchhandlung, wo ich arbeite. Die Tränen, die ich schon das ganze Wochenende zurück gehalten hatte, wollten irgendwie unbedingt in dem Moment raus und so stand ich heulend bei mir auf Arbeit und meine Chefin versuchte, mich zu trösten. Jedes Kind ist anders. Was jetzt noch nicht ist bei ihm, kann man in dem Alter alles noch wunderbar nachholen. Alles ganz liebe Worte, doch in dem Moment fühlte ich mich wie die schlechteste Mutter überhaupt, das ich die Defizite meines Kindes nicht erkannt hatte.
Donnerstag ging ich mit dem Sohn zu seiner Kinderärztin, die ihn schon seit der Geburt betreute und äußerte ihr gegenüber ersteinmal nur den Verdacht, er höre vielleicht schlecht. Meine Mam hatte eine ganze Weile steif und fest behauptet, das Kind sei leicht autistisch und auch darauf untersuchte sie ihn. Hören wollte er wirklich nicht so wirklich, jedoch nur auf Verbote, andere Geräusche nimmt er ganz ausgezeichnet war (naja, was ich bis jetzt so durchgetestet habe, aber bestimmte Frequenzen bekomme ich einfach nicht hin, sorry, bin keine Fledermaus). Das ich der Ärztin nichts von dem Besuch bei dem anderen Arzt erzählte, fand ich schon verschlagen von mir, aber ich wollte, das sie ihn objektiv beobachtet und ihn nicht gleich in eine Schublade steckt. Sie kam zu drei Resultaten: 1. Hören müssen wir testen lassen, es gibt eine Übeweisung ins Hörzentrum in Berlin-Friedrichshain (Termin am 22.12, irgendwie wurden wir reingemogelt) 2. Autismus kann man ausschließen, wobei einen sehr leichte Form in diesem Alter noch nicht zu diagnostizieren währe und 3. das er nicht auf Verbote reagiert, kann auch einfach an mir liegen, da ich meistens in einem lieben, freundlichen Tonfall mit dem Sohn spreche und Verbote meistens als Bitte, doch damit aufzuhören (was auch immer er grade tut) formuliere. Es war wie eine Erleuchtung. Ich bekam zwar den nächsten Schlag in den Nacken, da ich viel zu lasch erzogen hatte, aber das war ein Lösungsansatz, mit dem ich auch arbeiten konnte.
Es war aber an diesem Tag nicht der letzte Hieb, den das Leben für mich bereit hatte. Der 22.12. ist ein Mittwoch. Mittwochs hat meine Chefin immer frei. Da musste also etwas im Arbeitsplam geändert werden. Ordentlich, wie ich ab und zu mal bin, fuhr ich gleich rüber zur Buchhandlung und teilte meine Nöte mit. Tja, meine Chefin hatte nur selber andere Sorgen und zwar diese, wie sie mir schonend beibringt, das ich zum 30. November aus wirtschaftlichen Gründen entlassen bin. Rumms, da haste, friss oder stirb. Ehrlich gesagt, hatte ich mich schon selber mit dem Gedanken getragen, zu kündigen (natürlich mit der Vorarbeit, das ich dann bereits anderweitig eine Anstellung habe), aber das auch erst nach dem Weihnachtsgeschäft. Mit einer Entlassung genau zum Beginn der umsatzstärksten Zeit habe ich wirklich nicht gerechnet. Tja, so kann es kommen, oder?
Gestern abend nun, mein Kind stopfte seine Abendbrotstulle mit mäßigem Eifer in sich hinein (ich zwinge ihn nicht, etwas zu essen, wenn er keinen Appetit hat, ist es mir recht, er wird schon essen, wenn er Hunger hat ... ist meine Devise) dachte ich mir: "Zur Zeit ist zwar irgendwie alles so ein weig beschi...en, aber wenigstens ist dein Sohn gesund." Was soll ich sagen: als ich ihn ins Bett bringen wollte, spielte er die Szene aus "Der Exorzist" nach, wo so furchtbar viel Erbsensuppe verbraucht worden war. Er kotzte (ja, ich schreibe Kotzen, das war kein Brechen mehr) alles voll: sich selbst, sein Kissen, sein Kuschelkissen, die Decke, das Lacken, seine Schlafsöckchen. Mist. Das eigentlich noch recht wache Kind in die Badewanne gesteckt, nebenbei den Bettbezug ausgespült und mit ein wenig Hilfe das Kind bald sauber und trocken in ein frisch bezogenes Bett gesteckt. Aber zu früh gefreut. Nach zehn Minuten etwa hörte ich schlimme Geräusche und das Kopfkissen war voll ... er natürlich auch. Alles frisch gemacht und das Kind bei mir auf dem Schoß behalten, bis es schlief. Wieder ins Bett, schön in Seitenlage, falls nochmal gebrochen wird. ... Es wurde. Nach dem nächsten Mal legte ich den armen kleinen Wurm ins große Bett und mich gleich daneben. Nach einem letzten kurzen Würgen schliefen wir beide dann - so bis um zwei etwa. Da war laut meinem Sohn die Nacht vorbei und er wollte unbedingt etwas zu trinken haben. Ich Hornochse habe es ihm auch noch gegeben, denn keinen 90 Sekunden, nachdem er getrunken hatte, kam alles wieder hoch. Kissen nass, Schlafanzug hin, hach ja, aber das kannten wir ja von dem Abend schon. In meiner Verzweiflung bei ich mit dem Kind in die Wohnstube, damit er sieht, das nichts los ist und auch, damit er mal ein wenig in der Vertikalen war. Nutzte nix. Nach einem letzten gefühlten halben Liter (geschickt aufgefangen mit einem Handtuch) kuschelte er sich auf meinen Schoß und ließ sich von mir mit ins Bett nehmen. Schlafausbeute: ca. 5 Stunden = irgendwie zu wenig.

Mein Schlusskommentar. Shit happens, aber ab und zu kommt es einfach noch schlimmer.

Freitag, 22. Oktober 2010

*schneuz*

Gestern ist Loki schmidt gestorben und hier findet sich ein zum Weinen schöner Nachruf.